Musik ist für mich wie eine Berührung oder ein Kuss.

Mal sanft, zärtlich, dann schmerzhaft, verhalten, schüchtern, gierig, wollüstig, beherrschend, berauschend, verwirrend, beruhigend, Sicherheit gebend, transformierend, klärend, uplifting.

„Ich kenne meine Lebensaufgabe, seit ich ein Kind bin. Ich bin hier, um mit meiner Stimme Herzen (wieder) zu öffnen, vergrabene, verletzte Emotionen zu transformieren, Menschen an ihren Seelenweg zu erinnern. Und das auf eine sinnliche, genussvolle, vollmundige Art und Weise. Kunst, Musik ist sehr kraftvoll und magisch. Sie wirkt so intensiv, weil sie nicht nur von dieser Welt ist.“

Die Opernsängerin ist gebürtige Kärntnerin, lebt in Wien und liebt die Bühne – Oper, Musical und auch im Solo. Im Interview erzählt sie über ihren Weg, wie sie zur Musik kam und was sie berührt.
zum Interview

„500m Luftlinie“
aus dem Kinofilm von Prof. Edwin Wiegele

Mit Johanna Kräuter auf einen Negroni

Interview

Johanna, wer bist du und was machst du – beruflich und privat?

Ich bin Sängerin, Musikerin und Verbindungskünstlerin von Herz zu Herz. Als Gesangscoach gehe ich in Resonanz mit der Stimme und dem Wesen meines Gegenübers. Privat liebe ich es, zu reisen. Ich liebe gute Gespräche und die tiefen Verbindungen zu meinen Freunden. Ich suche und pflege das Schöne und Ästhetische.

Wie würdest du einem Kind erklären, was dein Business ist?

Ich verdiene Geld damit, Menschen zum Lächeln zu bringen. Das fühlt sich so an, als ob du durch die Blumenwiese hüpfst und mit deinen besten Freunden tanzt und singst. Dafür lerne ich ein bestimmtes Musikstück und singe es dann auf einer Bühne vor vielen Menschen. Manchmal mache ich das auch mit ganz vielen „Freunden, Vertrauten und Verbündeten“, die mit mir auf der Bühne sind. Jeden Tag versuche ich besser zu werden, damit die Menschen gerne wiederkommen und fröhlich sein können. Manchmal weinen die Menschen sogar. Das mag ich auch, denn am Ende gehen sie immer froh nach Hause, weil ich meinem Publikum immer eine mütterliche Umarmung mitgebe.

Wie würdest du jemandem, der schwerhörig ist, erklären, was dich an Musik begeistert und berührt?

Musik ist wie eine Berührung oder ein Kuss – manchmal sanft, zärtlich, dann schmerzhaft, verhalten, schüchtern, gierig, wollüstig, beherrschend, berauschend, verwirrend, beruhigend, Sicherheit gebend, transformierend.

Wann war eigentlich für dich klar, dass du Musik machen willst?

Sehr früh schon. „Musik ist mein Leben“, das stand schon in allen Stammbüchern. Mit fünf Jahren wollte ich Geige lernen, „musste“ aber zuerst Gitarre spielen. Denn meine Mutter und mein Bruder hatten ein Jahr zuvor mit diesem Instrument begonnen und die Idee war, dass wir zu dritt üben. Nach einem Monat hatte ich bereits beide „überholt“ und spielte Lehrerin für sie. Das war der Moment, in dem klar war, dass ich nicht talentfrei bin. Ich muss allerdings dazu sagen, dass ich täglich Gitarre übte. Mit acht durfte ich dann endlich an die Geige! Das wollte ich auch zu meinem Beruf machen, ich hatte solche Ehrfurcht vor diesem Beruf, konnte es bis 17 nie aussprechen, hatte Angst ich wäre nicht gut genug. Musik war immer mein Leben. Der Wunsch, Sängerin zu werden, kam erst mit 16 dazu und diesem Weg folgte ich dann auch und studierte Musical.

Du hast also zunächst Musical und Operette gemacht. Wie kam die Oper dazu?

Ich kann mich sehr gut erinnern. Das war ein Moment der Erleuchtung für mich. 2005 sang Anna Netrebko die Violetta aus „La Traviata“ bei den Salzburger Festspielen und hatte ihren Durchbruch damit. Ich war hin und weg. Nicht nur vom Gesang! Was mich begeisterte und aufwühlte, war, dass ich das erste Mal so wahrhaftiges Schauspiel in einer Oper erlebte. Da kam der Gedanke: Das will ich auch können!

Was fasziniert dich an Musik, an der Bühne, an deinem Tun?

Ich muss 100-prozentig ICH sein und zwar so, wie mich Gott gemeint hat. Das klingt jetzt vielleicht eigenartig, aber damit ist gemeint, ich kann nur aus mir und meiner Quelle schöpfen oder gar nicht. Und daraus in die Verbindung gehen. Ich kann in der Musik erforschen, ich muss keiner Norm entsprechen. Ein Satz in diesem Zusammenhang, der mich weitergebracht hat, war: „Du musst nur im Herz scheinen und spüren.“ Natürlich muss das Handwerk als Basis vorhanden sein.

Stichwort Handwerk. Wie hast du dir das angeeignet?

Ich trainiere meine Stimme, begleitet von sehr guten Lehrern, seit ich 17 bin, dazu zählt auch Schauspielunterricht. Die Ausbildungen nennen sich diplomierte Musicaldarstellerin (Gesang/Tanz/Schauspiel) und Bühnen-Diplom für Operette. Weiters habe ich in Wien Jazz -und Popularmusik studiert; das Bachelorstudium Gesang Konzertfach und das Masterstudium Gesangspädagogik. Meine intensivste Ausbildung ist und war es in den letzten zehn Jahren, privaten Gesangsunterricht bei ausgewählten Lehrern für meine klassische Stimme zu nehmen.

Wie geht eine Johanna Kräuter vor, wenn sie Rollen erarbeitet?

Zu Beginn sehr technisch: Töne, Rhythmus, Text – das Handwerk wird in die Stimme eingearbeitet. Danach kommt das Interessante: die Kunst, die Magie. Ich tauche tief ein in das Stück, in die Welt und Energie des Komponisten und erforsche: wie phrasiere, wie nuanciere, wie erwecke ich den Text, die Rolle zum Leben. Ich gehe in die Aussage, die Emotion dahinter. In Absprache mit dem Regisseur und Dirigenten entsteht ein gemeinsames Werk. Genaue Entscheidungen ergeben dann das Wiederholbare, das trotzdem Magie bleibt für den Zuseher. Egal, wie oft man eine Rolle singt, im besten Fall spürt man sie jedes Mal neu.

Was waren deine Lieblingsrollen bis jetzt?

Bianca aus „Kiss me Kate“, Gräfin und Pepi aus „Wiener Blut“, Piaf in meinem Chansonstück. Die Königin der Nacht aus „Die Zauberflöte“ durfte ich schon einmal mit Orchester singen, aber da geht noch was.

Welche Rollen möchtest du in deinem Leben noch unbedingt spielen?

Eva Péron aus „Evita“, Magda aus „La Rondine“, Susanna aus „Die Hochzeit des Figaro“, Fanny aus „Fanny Girl“ und die Violetta aus „La Traviata“. Da habe ich noch einiges vor.

Und mit wem willst du in Zukunft gerne zusammenarbeiten?

Okay, so wirklich gerne? Na gut, das sind jetzt große Namen. Aber wie heißt es so schön: Deine Träume sind das Füllhorn des Lebens. Lotte de Beer, Omer Meir Wellber, Rubén Dubrovsky, Teodor Currentzis, Barrie Kosky und Peter Sellers begeistern mich. Mit ihnen zu arbeiten, ist ein großer Traum von mir.

Wie würdest du dich als Künstlerin beschreiben?

Ich erlebe mich als eine Person, die intensiv ist. Die sich der Kunst hingibt, die sich in Details und Gefühle verliebt. Als Übersetzerin der Urintention des Menschseins. In der Musik werden Ursehnsüchte und Urwünsche des Menschen behandelt. Ich darf da eintauchen und das ins Hier und Jetzt übersetzen.
Ich kenne auch Unsicherheiten, Konflikte mit mir selbst. Wie sehr öffne ich mich, wie sehr gebe ich mich hin, wie sehr traue ich mich, nackt zu sein. Und wie sehr gehe ich das Risiko ein zu scheitern. Aber das macht die Intensität aus. Und das ist der Emotionscocktail, der das Publikum berührt.

Was sind deine schönsten Erfahrungen mit Musik und Oper?

Musik ist für mich die Verschmelzung mit meiner Urquelle, die Verbindung mit einem offenen überirdischen Kanal der Intuition und Explosion. Das durfte ich mit dem wunderbaren Menschen und Künstler, Lior Kretzer, das erste Mal erfahren – es war eine durchgehende Umarmung auf der Bühne – unausgesprochen im Hier und Jetzt geschehend. Zugleich war es Geborgenheit und Sicherheit, ein Nachhausekommen.
Ein besonderer Moment war es auch, als Zuseherin in „Cosi fan tutte“ bei den Salzburger Festspielen zu sitzen und die Leichtigkeit und Freude, das Verspielte in der Musik und das Miteinander in der Oper zu spüren; für mich ein Freudenfest der Leichtigkeit des Lebens.
Als Sängerin war das Duett „Ma come puoi lasciarmi“ aus „La Rondine“ eine ganz besondere Erfahrung; der Schmerz, die Hingabe und die Leidenschaft zu einem Menschen und das Akzeptieren unerfüllter Liebe; das Gefühl der Dankbarkeit, Liebe gespürt zu haben.
In meinem Chansonprogramm erlebe ich jedes Mal ein Feuerwerk, eine Reise, immer wieder neu und anders. Natürlich spielt die Lebenssituation immer eine Rolle, daraus schöpft man und das darf auch sein.
Am schönsten sind diese Gefühle, wenn ich Musik so tief spüre, im gleichen Moment wie mein Gegenüber und das ohne Worte. Es ist ein Gefühl des Nachhausekommens. Und im Gegensatz dazu dieses machtvolle Gefühl, als Sängerin mit einem großen Orchester zu arbeiten.

Welche Musik berührt dich?

Das ist so unermesslich und bunt. Wie soll ich das in Worte fassen. Ich versuche es: Mich berührt klassische Musik mit Herz und aus der Triebkraft heraus musiziert – niemals nebenbei oder als Berieselung – ich kann mit dem Wort „Zerstreuung“ wenig anfangen.
Lucio Dalla ist für mich die pure Freiheit – wie im Cabrio durch die Sonne der Genüsse gleiten. Ute Lemper mit Paulo Coelho – ein wahres Feuerwerk. Ich liebe so viele Jazzsänger und Jazzsängerinnen: Diana Krall, Melody Gardot, Andrea Motis, Radka Toneff, Esperanza Spalding, Joni Mitchell. Ich höre sie in meiner Freizeit – bei der Vorbereitung eines tollen Abendessens zum Beispiel. Sie inspirieren mich zu Sinnlichem. Ganz großartig finde ich aber auch einige Popmusiker: Beirut, Goldfrapp, Antony and the Johnsons – die Stimme haut mich um. Auch Lady Gaga liebe ich (ohne Show!), sowie Martin Klein.

Welche ist deine Lieblingsoper?

„La Rondine“ von Puccini, „La Traviata“ von Verdi, Mozarts „Cosi fan tutte“ – da möchte ich gerne den Untertitel in Erinnerung rufen: „So machen es alle (Frauen)” oder „Die Schule der Liebenden“.

Was ist deine Vision?

Als Sängerin bin ich auf der Welt, um mit meiner Stimme zu berühren, zu heilen. Wir laufen oft sehr hektisch von A nach B und viele spüren sich nicht (mehr). Das ist, was Musik leisten kann, dich ein Stück weit wieder an die Wahrheit deines Herzens und deiner Seele zu erinnern, berührbar zu bleiben. Und das auf sinnliche, genussvolle Art und Weise. In meiner Arbeit als Gesangscoach ist es mir ein großes Anliegen, mein ganzheitliches Wissen weiterzugeben und junge Talente auf ihrem Weg zu begleiten.

Was definierst du als Erfolg?

Fülle in allen Bereichen des Lebens – emotional, materiell, gesundheitlich, partnerschaftlich, familiär. Erfolg ist für mich Glückseligkeit leben und weitergeben; auf der Spur seines Seelenplans sich ausweiten und abfärben auf die Welt.

Was machst du, wenn du mal keine Musik machst?

Ich suche die Sonne, jeden Tag, immer wieder. In der Natur zu sein, ist für mich wichtig, ebenso wie Bewegung zu machen. Mich mit Schönheit auffüllen, das gibt mir etwas.

Du bist ja gebürtige Kärntnerin und lebst seit vielen Jahren in Wien. Was ist für dich das Beste aus beiden Welten?

Kärnten ist für mich Familie, Geborgenheit, meine Wurzeln und Werte, Natur, Bodenhaftung. An Wien liebe ich die Kunst, das Intellektuelle, das Vibrierende, das Offene und Weite, die Vielfalt. Ich schöpfe aus beiden Welten.

3 Dinge, die nur beste Freunde über dich wissen?

Soll ich das hier wirklich offenbaren? Okay, gut. Ich bin ein bisschen ein Monk. Bei mir muss immer alles ordentlich sein. Wenn ich Hunger habe, bin ich unerträglich und ich mag kein Bier.

Zum Abschluss: Du fährst auf eine einsame Insel, welche 3 Dinge nimmst du mit?

Ein Klavier, Champagner und einen Mann.

10 ausgewählte Highlights meiner Rollen und Herzenserfahrungen auf der Bühne vom ersten Engagement bis heute:

MY FAIR LADY – 1. Stubenmädchen
Seefestspiele Mörbisch
Regie: Helmuth Lohner
Dirigent: Caspar Richter

WIENER BLUT – Pepi
Oper Stettin
Regie: Prof. Wilhelm Schupp
Dirigent: Eckart Mancke

KISS ME KATE – Bianca
Sommerfestival Kittsee
Regie: Gerhard Ernst
Dirigent: Joji Hattori

TATORT GRENZLAND – Episodenrolle
Graf-Film/ORF
Regie: Sascha Bigler

MY FAIR LADY – Stubenmädchen/Ensemble
Vereinigte Bühnen Bozen
Regie: Thomas Schulte-Michels
Dirigent: Stephen Lloyed

WIENER BLUT – Gräfin Zedlau
Frankenfestspiele Röttingen
Regie: Pavel Fieber
Dirigent: Walter Lochmann

Wer singt für Österreich beim Eurovision Song Contest 2015
ORF SHOW (FINALE)

Sängerin mit der Elektropop-Band JOHANN SEBASTIAN BASS

VOGELGESPRÄCHE
(zeitgenössische Oper)

Nachtigall Sopransolistin
Neues Musik Theater . Graz

PIAF & LEGRAND
La vie en rose – Wir bereuen nichts

Duo-Chansonprogramm
mit Alfons Haider

Piano: Lior Kretzer

CANZONI ITALIANE – Arien und Sehnsuchtslieder
Heunburg Theater, Kärnten
Duo-Opernprogramm mit George Kounoupis
Piano: Lior Kretzer